hallo miteinander,
(erfolgreich) als breiter protest gegen ein auslieferungsgesetz ans chinesische festland gestartet, gehen die proteste nun weiter mit dem ziel, die regierung zu stürzen.
ich hätte dazu ein paar fragen und mich würde interessieren, wie ihr das seht. und mir ist natürlich bewusst, dass wir hier alle nicht vor ort dabei sind und nur aus der ferne spekulieren können, aber auch daraus kann man erkenntnisse gewinnen und vielleicht hat ja jemand genauere einblicke?
1) glaubt ihr, dass die proteste eskalieren werden? also dass das militär eingreifen wird? unter umständen sogar das militär vom festland, um ein exempel zu statuieren? und dass daraus folgend dann eine verhaftungs- und unterdrückungswelle folgen könnte?
2) glaubt ihr, dass der protest gerechtfertigt ist? also ist das besetzen von flughäfen und verkehrsknotenpunkten mit dem ziel der regierungsbeseitigung grundsätzlich legitim? oder ist er vielleicht nur legitim, wenn es gegen autoritäre regimes wie das chinesische geht bzw. gegen deren statthalter?
3) glaubt ihr, dass der vergleich mit westlichen demokratien zulässig ist? also was würde man tun, wenn vermummte den frankfurter flughafen lahmlegen und neuwahlen verlangen? oder ist das in euren augen überhaupt nicht vergleichbar?
also ich bin da etwas zwiegespalten, kenne mich aber auch nicht wirklich mit hong kong aus. die proteste und der erfolg gegen das auslieferungsgesetz waren ein unglaublicher erfolg und aus meiner sicht ein wunderbares beispiel dafür, was eine funktionierende zivilgesellschaft erreichen kann.
nun habe ich allerdings den eindruck, dass alles etwas aus den fugen gerät und wundere mich, wie ich dazu stehen soll. ich halte die berichterstattung unserer medien dazu auch für relativ unaufgeklärt und wenig aufschlussreich.
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Ergebnis 1 bis 15 von 15
Thema: proteste in hong kong
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15.08.2019, 09:19
proteste in hong kong
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15.08.2019, 10:02
AW: proteste in hong kong
was meinst du mit zulässig? isses natürlich nicht, weil es ein gewaltmonopol gibt, das beim staat liegt. aber klar, dass kann man herausfordern. ist ja auch immer mal wieder vorgekommen. um neuwahlen geht es dabei doch aber eh höchst selten. weder in deutschland (startbahn west, brockdorf als beispiele in deutschland), als auch global, sondern die sind wenn dann ja nur vehikelforderungen. es geht doch bei solchen protesten um viel mehr.
und ob das auch in westlichen demokratien gehen kann? na schau mal links auf die karte. was macht frankreich gerade?
und ja ich kann das auch durchaus legitim finden. also nicht per se. aber es gibt halt schon immer wieder situationen, in denen man der instrumentalisierten gewalt eben nur mit gewalt beikommt. (stonewall z.b. als ein riot auf den wir uns heutzutage als demokraten positiv beziehen.)Geändert von gewitter (15.08.2019 um 10:14 Uhr)
"Es gibt keine harmlosen Zivilisten."
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15.08.2019, 10:11
AW: proteste in hong kong
Ich denke, dass der weitere Verlauf davon abhängt, was für die chinesische Regierung (in ihren Augen) schlechter dastehen läßt: unkontrollierte Zustände in einer Dominion oder Militäreinsatz gegen Zivilisten. Da Zeitungsberiochten zufolge die Festlandchinesen tendenziell eher die Protestierenten verurteilen, entfällt dieser Grund sich die Hände schmutig zu machen. Daher tendiere ich dazu, dass das Militär nicht eingreift, weil ein Militäreinsatz international nicht so gut ankommt.
Vorsicht, du kommst ganz schnell in die Nähe von ganz rechts, die sich ja gerne auf das "Recht auf Widerstand" gemäß GG berufen.Zitat von Paul Ziemiak
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15.08.2019, 10:24
AW: proteste in hong kong
das stimmt natürlich und nach der definition wäre der protest selbstverständlich illegal, weil es in hong kong sicherlich nicht erlaubt ist, flughäfen und verkehrsknotenpunkte zu blockieren. meine frage zielte eher darauf ab, ob es aus deiner sicht legitim ist, flughäfen zu besetzen bzw. falls ja, unter welchen umständen du diese legitimierung wieder aberkennen würdest.
aber in diesem fall geht es doch exakt darum? also um die absetzung der regierung. natürlich steckt da noch mehr dahinter, aber das ist momentan doch die kernforderung.
es geht ja weniger darum, ob es gehen kann, sondern eher um die wahrnehmung und die legitimation. romantisieren wir nicht etwas, wenn vermummte aktivisten flughäfen besetzen im namen der freiheit und würden proteste vergleichbarer art in deutschland und frankreich durchgehen? bzw. welche zielsetzung müssten diese proteste haben, um in der öffentlichkeit und den medien als legitim durchzugehen?
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15.08.2019, 10:26
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15.08.2019, 10:43
AW: proteste in hong kong
verkehrsknotenpunkte zu besetzten ist einfach erstmal ne clevere strategie. ist ja auch immer eine kosten/nutzen rechnung. die zivilbevölkerung ist ja nun mal schwächer. ich kann aber nicht en detail sagen, wann und warum das wie legitim ist und wie nicht. ich habe von hongkong/china zu wenig ahnung. und in frankreich zb finde ich es teilweise schwer zu durchschauen, wer da gerade eigentlich aus welchen gründen agiert.
in der tendenz würde ich aber sagen: good luck!
ich halte das nämlich für eine generelle frage. lehne ich gewalt als mittel des widerstands generell ab oder nicht? bzw. lehne ich widerstand generell ab und kann mich nur für protest erwärmen?
und nein, ich lehne gewalt nicht per se ab. die geschichte hat uns immer wieder szenarien gezeigt, in der gesellschaftlicher fortschritt im sinne einer emanzipation nur durch gewalt zu erlangen war.
emanzipation ist da der knackpunkt. ich vertaue halt nicht besonders in das emanzipative potential des realexistierenden personals."Es gibt keine harmlosen Zivilisten."
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15.08.2019, 10:52
AW: proteste in hong kong
dem kann ich mich anschließen. finde die formulierung sehr gut.
ich lehne gewalt auch nicht generell ab, fürchte aber, dass hier der bogen ein wenig überspannt worden ist und am ende dann eine niederschlagung der proteste inkl. verhaftungen und noch strengeren gesetzen folgen werden.
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15.08.2019, 10:52
AW: proteste in hong kong
Meine Sicht:
Selbstverständlich wird die chinesische Festlandregierung den Aufstand in irgendeiner Form gewaltsam niederschlagen. Ich persönlich glaube nicht, dass es auf ähnliche Weise geschieht wie das Tian-anmen-Massaker, sprich Massen-Erschießungen und mit Panzern über die Leute drüber fahren, aber möglich ist auch das. Für wahrscheinlicher als ein ähnliches Vorgehen wie damals halte ich, dass es in Hong-Kong ganz einfach zu Massenfestnahmen kommen wird, ggf. auch unter Einsatz von Kampfstoffen, Tränengas etc. Die Leute werden dann in LKWs gesteckt und aus Hongkong nach Festland-China gefahren. Ich bin überzeugt, dass dies zehntausende Menschen, je nach Bedarf und Verlauf auch 100.000 Menschen oder mehr betreffen wird. Die verschwinden dann alle auf Nimmerwiedersehen irgendwo in Festland-China, natürlich in Arbeitslagern und Gräbern.
Es ist für mich unvorstellbar, wie jemand denken kann, dass es nicht so ablaufen wird. Es wird in den nächsten Tagen oder Wochen, in jedem Fall noch dieses Jahr, zu einer gewaltsamen Niederschlagung kommen. Das finde ich absolut sicher. Die einzige Frage, die ein wenig offen ist, ist, ob die USA und andere Staaten daraufhin ihre Wirtschaftssanktionen gegen China ausweiten werden. Angesichts der Erfahrungen mit den von den USA bisher erhobenen Wirtschaftssanktionen glaube ich nicht daran, dass in der Richtung noch irgendwas weiteres passieren wird. Höchstens ein "so tun als ob", damit es für Laien klingt, als würde man Sanktionen verschärfen. In der Realität werden wahrscheinlich weder die USA noch Europa es sich leisten, China zu sanktionieren.
Selbstverständlich wird es auch keine Intervention des UN-Sicherheitsrates geben. Der UN-Sicherheitsrat wurde geschaffen, um einen neuen Weltkrieg zu verhindern, nicht um gegen Länder vorzugehen, die ihre eigene Bevölkerung massakrieren. In der weltpolitischen Bühne interessiert das keinen. China hat zudem einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat mit entsprechendem Vetorecht - schon deshalb wird es nicht zu einer entsprechenden Resolution kommen.
Das ganze war auch vorhersehbar. Großbritannien hat (weil es mußte) Hong-Kong 1999 an China zurückgegeben. Viele Hong-Kong-Chinesen haben sich schon damals entschieden, rechtzeitig auszureisen, denn es war absehbar, dass Festlandchina die Freiheiten Hong-Kongs immer weiter beschneiden wird. Das passiert inzwischen. Die Welt hat es nicht interessiert und wird es weiter nicht interessieren. Die Proteste in Hong-Kong sind in gewisser Form verständlich, aber gleichzeitig müssen sie auf den Betrachter von außen auch etwas naiv wirken, denn es ist doch völlig klar, dass China seine Besitz- und Verwaltungsansprüche an Hong-Kong durchsetzen wird und irgendwelche etwaigen Zusicherungen aus früherer Zeit nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Das konformistische China kann es sich überhaupt nicht leisten, zuzulassen, dass eine bedeutsame Metropole ihre eigenen Vorstellungen durchsetzt und damit ein schlechtes Vorbild für andere chinesische Wirtschafts-Metropolen gibt.
Die nötige PR-Kampagne, um internationale Folgen der geplanten gewaltsamen Niederschlagung etwas abzumildern, läuft längst. China spricht im Zusammenhang mit den Protesten von "Terroristen". Ich bin überzeugt, dass im Hintergrund auch längst Militäroperationen laufen, von denen wir nichts mitbekommen. Persönlich glaube ich, dass es noch im August knallen wird, aber so Zeiträume einzuschätzen ist immer schwierig. Vielleicht explodiert das ganze auch erst im Oktober. Danach wird es jedenfalls ein paar hunderttausend Hongkong-Chinesen weniger geben.
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15.08.2019, 11:08
AW: proteste in hong kong
Für mich ist Widerstand gegen den zunehmenden Einfluss eines autoritären Überwachungsstaats jenseits meines Verständnisses von Rechtsstaatlichkeit sehr legitim und nicht mit Protesten in funktionierenden Rechtsstaaten zu vergleichen, denn in denen setzt man nicht das eigene Leben und das der Angehörigen aufs Spiel, wenn man sich offen gegen die Regierenden stellt.
"Das Verliebtsein ist ja nicht mehr als ein psychiatrisches Durchgangsstadium und die zwanghafte Besessenheit von einem Menschen auf Dauer so ungesund wie Kokainkonsum." Um etwas Pepp in Vernunftbeziehungen zu bringen, empfiehlt der deutsche Paartherapeut Arno Retzer den gelegentlichen Einsatz von Wasserpistolen.
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15.08.2019, 11:10
AW: proteste in hong kong
@bwlstudent: ich suche mir mal einige punkte aus, auf die ich antworten will, weil dein beitrag doch relativ lang ist und alle möglichen punkte aufgreift.
ich gehe wie gesagt auch davon aus, dass der aufstand niedergeschlagen wird, aber mit hong konger "einheiten" und weniger mit festlandsbeteiligung. es würde mich stark wundern, wenn "100.000 oder mehr" menschen mit dem lkw ins festland gefahren werden, um dann in irgendwelchen lagern zu verschwinden. die selbstsicherheit, mit der du das hier rausposaunt, scheint mir auch ziemlich unagebracht zu sein und erinnert mich an kalte krieger rhetorik.
abwarten. zunächst einmal wurde noch niemand massakriert. es sind natürlich martialische töne zu hören ("terroristen") und den kp bossen ist einiges zuzutrauen, aber bislang wird gegen die proteste "nur" mit normaler polizeigewalt vorgegangen, die in vergleichbarer form wohl auch in deutschland und frankreich stattfinden würde, wenn flughäfen besetzt werden. da muss man einfach realistisch bleiben. kein land der welt wird es hinnehmen, wenn auf dauer lebenswichtige verkehrsadern blockiert werden. hier ist es sinnvoll, ein minimum an verständnis aufzubringen, egal wie verbrecherisch das regime sonst ist.
deine haltung suggeriert eine derartig kompromisslose grundhaltung, dass ein ergebnisorientiertes arbeiten und möglicherweise auch ein verhandlungsergebnis am tisch in unerreichbar weite ferne rücken. wieso also diese rhetorische eskalation?Geändert von kokosmango (15.08.2019 um 11:18 Uhr)
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15.08.2019, 11:16
AW: proteste in hong kong
das finde ich als antwort viel zu simpel, sorry.
du wirst doch sicher eine grenze dieses widerstands auch in einem autoritären überwachungsstaat festlegen? ich bin mir z.b. ziemlich sicher, dass du es nicht für legitim hältst, wenn im zuge des widerstands sicherheitskräfte erschossen werden. oder die kinder von regierungsmitgliedern zu entführen etc. pp.
das impliziert, dass es eine art von grenze geben muss und über diese grenze lohnt es sich doch zu diskutieren oder nicht?
einfach nur zu sagen "es geht gegen ein unrechtsregime, also ist widerstand immer angemessen" ist so plump, dass jede basis für eine diskussion fehlt.
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15.08.2019, 11:59
AW: proteste in hong kong
In den chinesischen Medien werden die Demonstranten schon als Terroristen beschrieben, also da wird die chinesische Bevölkerung schon mal geprimed dass ein Vorgehen gegen die Proteste legitim erscheint.
International sieht das natürlich anders aus aber ob das die chinesische Regierung schert ist eine andere Frage.
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15.08.2019, 12:01
AW: proteste in hong kong
Zitat von kokosmango
Du fragtest danach, ob wir den Protest in Hongkong als gerechtfertigt sehen (habe ich bejaht), einen Vergleich zu Protesten in Europa als zulässig betrachten (habe ich verneint), wir einen Eingriff des Militärs und Repression als möglich erachten (habe ich implizit durch den Verweis auf die Gefährdung des Lebens der Protestierenden bejaht) und ob uns Besetzungen generell als legitime Protestform erscheinen. Auf den letzten Punkt ging ich nicht ein und kann hier eine Bejahung nachtragen, da eine Besetzung sich nicht gegen das Leben und die körperliche Integrität von Menschen richtet.
Wenn du über Grenzen von Widerstand diskutieren willst, hättest du deinen Thread anders benennen und deine Eingangsfragen anders stellen sollen.
"Das Verliebtsein ist ja nicht mehr als ein psychiatrisches Durchgangsstadium und die zwanghafte Besessenheit von einem Menschen auf Dauer so ungesund wie Kokainkonsum." Um etwas Pepp in Vernunftbeziehungen zu bringen, empfiehlt der deutsche Paartherapeut Arno Retzer den gelegentlichen Einsatz von Wasserpistolen.
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15.08.2019, 12:07
AW: proteste in hong kong
zumal die frage nach den grenzen einfach auch nicht zu beantworten ist. also generell.
dinge die im spanischen bürgerkrieg (und das war ja auch widerstand) legitim waren, wären es in der auseinandersetzung um die notstandgesetzte in den deutschen 60iger jahren nicht gewesen."Es gibt keine harmlosen Zivilisten."
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15.08.2019, 12:40
AW: proteste in hong kong
da hast du sicherlich recht. ich finde die art und weise, wie du antwortest, zwar sehr enttäuschend, aber ich kann ja nicht diktieren, wie du zu antworten hast.
ich denke, dass mein eingangspost schon impliziert, dass über die grenzen von widerstand diskutiert werden soll, sonst hätte ich einfach einen sinnlosen poll erstellt und nach "ja, finde ich gut" bzw. "nein, geht mir zu weit" aufgeteilt.